Chronik der Pfarre Sankt Anton am Flugfeld in Wiener Neustadt

Am 22. Jänner 1933 – also vor fast 90 Jahren – feiert der Kalasantinerpater August Großschedl in einem ungefähr 60 m² großen Raum des städtischen Kindergartens im Arbeiterviertel Flugfeld unter überraschend großer Anteilnahme der Bevölkerung einen Gottesdienst.

Dieses Datum kann als Beginn einer systematischen geistlichen Betreuung im Flugfeldviertel angesehen werden. Vor dem politischen Hintergrund der frühen 30er-Jahre in Österreich ist bemerkenswert, dass sich der damalige Vizebürgermeister der Stadt, der Schutzbundführer Josef Püchler – selbst gegen die massiven Einwände seiner Partei – für die Errichtung einer Seelsorgestation im Flugfeldviertel einsetzt und damit erst die Beistellung des Kindergartenraumes seitens der Stadtgemeinde ermöglicht. Da sich der 1889 gegründete Orden der Kalasantiner (Congregatio pro operariis a S. Josepho Calasanctio/ Kongregation für die christlichen Arbeiter vom Hl. Josef Kalasanz, COp) besonders der Arbeiterseelsorge annimmt, wird der bereits oben genannte Pater August Großschedl – er ist auch Rektor an der Vorstadtkirche St. Leopold – mit dieser Aufgabe im Flugfeldviertel betraut.
Wegen der rasch größer werdenden Zahl der Gläubigen müssen die Gottesdienste während der Sommermonate unter freiem Himmel  gefeiert werden.


Ein für den Kirchenbau am Flugfeld angekauftes 13 000 m² großes Grundstück bleibt allerdings wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage ungenützt und wird daher wieder verkauft. Mit dem Erlös wird das 1916/17 errichtete Kesselhaus der ehemaligen Fliegerkaserne erworben,das nach dem Kriegsende einem Kohlenhändler als Depot dient.

Die Benedizierung des vom Wiener Neustädter Architekten Alois Freitag als Kirche adaptierten und nun dem Hl. Antonius von Padua geweihten Gebäudes erfolgt am 9. Dezember 1934 durch den Wiener Erzbischof Dr. Theodor Innitzer. Die nördliche Innenseite des Kirchenraumes ist vom Wiener Neustädter Maler Prof. Josef Adamcik künstlerisch gestaltet. Der ursprünglich 40 m hohe Schornstein des Kesselhauses wird 1937 nach  Plänen des Wiener Architekten Rudolf Garstenauer auf 25 m Höhe verkürzt und dient als Glockenturm. Dompropst Leopold Uhl nimmt am 29. November dieses Jahres die Turm- und Glockenweihe vor. Die drei Glocken tragen die Namen „Hl. Josef“, „Mutter Gottes“ und„Hl. Antonius“. Damit erhält die „Flugfeldkirche“ ihr bis heute bestehendes typisches Aussehen.

Im Jahr 1939 wird die Errichtung einer eigenen Pfarre am Flugfeld beschlossen, die Pfarrgrenzen werden festgelegt: Im Osten die Südbahn, im Süden die Fischauer Gasse, im Westen und Norden die jeweiligen Gemeindegrenzen. Mit 1. Oktober 1939 gibt es „St. Anton am Flugfeld“ als eigene Pfarre und Pater Großschedl wird zum Pfarrverweser bestellt. Bereits im Jahr 1940 müssen die beiden größeren Glocken abgeliefert werden, nur die kleine Josefsglocke bleibt erhalten. Das Metall wird für die Produktion von Kriegsmaterial gebraucht. 1943 feiert Pater Großschedl sein silbernes Priesterjubiläum. Der Geistliche steht den Menschen in der schweren Zeit des Krieges und dem unmittelbaren Kriegsende mit Rat und Tat bei. Eine kleine Anekdote zu Pater Großschedl: Während eines Bombenangriffs flüchten die Flugfelder in einen nahe der Kirche gelegenen Schutzraum. Pater Großschedl ist auch unter ihnen. Die Erde bebt unter den explodierenden Sprengkörpern, Angst erfüllt die Menschen. Plötzlich beginnt jemand lauthals zu lachen, gleich darauf lachen alle im Bunker Anwesenden. Was war geschehen? Pater Großschedl hat in der Eile des Aufbruchs seine Schuhe verkehrt angezogen. Die Schuhe schauen unter dem Ordenstalar mit den Spitzen nach außen hervor. Dies genügt, um die Anspannung der Menschen in Gelächter zu verwandeln.

Am 21. Oktober 1945 übergibt Pater Großschedl seinem Ordensbruder Pater Alexander Bredendick die Pfarre, der sie bis Ende August 1946 leitet. Am Weihnachtsabend des Jahres 1945 ist Sankt Anton die einzige Pfarre der Stadt, in der die Christmette gefeiert werden kann. Dies ist dem Mut und diplomatischen Geschick von P. Bredendick zu verdanken, der beim russischen Stadtkommandanten vorstellig wird. Der Offizier begrüßt den im Ordensgewand erschienenen Geistlichen lächelnd mit den Worten: “Heute in Uniform?“. Zugleich erlässt der Kommandant auf Ersuchen von Pater Bredendick zum Schutz der Gläubigen für diese eine Nacht eine Ausgangssperre für seine Soldaten.

Mit 1. September 1946 übernimmt Pater Anton Schürz, ebenfalls Kalasantiner, die Pfarre. Unterstützt wird er bei seiner Arbeit von der Kalasantiner-Oblatin Sr. Ida Tscheppe. Pater Schürz bleibt bis zum Dezember 1960 in der Pfarre. In seine Zeit als Pfarrer fällt der Bau des Pfarrhofes in Thermo-Holzbau-Ausführung in den Jahren 1947 – 1949. Im Jahr 1949 wird Sankt Leopold von den Kalasantinerpatres an die Propsteipfarre übergeben, der Orden widmet sich ganz der Flugfeldpfarre. 1950 kann das Pfarrheim eröffnet werden. Es wird nach dem Ordensgründer „Pater Schwartz – Heim“ benannt. Der erste Pfarrer des Flugfeldviertels, Pater Großschedl, stirbt am 14. August 1953 in Klagenfurt. Frau Charlotte Sigal tritt am 1. April 1959 ihren Dienst in der Flugfeldpfarre als Seelsorgehelferin an. Weil Frau Sigal wiederholt  gesundheitliche  Probleme hat, steht für einige Monate (Juni bis Oktober 1960) auch Frau Marianne Freiwald als Seelsorgehelferin zur Verfügung.

Im Dezember 1960 verlassen die Kalasantiner Wiener Neustadt und damit auch die Flugfeldpfarre, die Erzdiözese Wien erwirbt die Liegenschaft vom Kalasantiner-Orden. Geistl.Rat Johann Sobotka betreut in Vertretung des eigentlichen Provisors, Propst Arnold Doležal, als Aushilfe die Pfarre.

Im August 1961 kommt der Domkurat Imre Virágh als Seelsorger in das Flugfeldviertel. Er wird am 10. September 1961 durch Dompropst Arnold Doležal feierlich in sein Amt eingeführt. Noch im Dezember 1961 wird nach den Plänen des Wiener Neustädter Architekten Dipl. Ing. Josef Patzelt mit dem erweiternden Umbau der Kirche und des neuen Pfarrhofes begonnen. Als Ersatz für das baufällige Heim wird eine Baracke neben der Kirche aufgestellt. Die Seelsorgehelferin Charlotte Sigal übersiedelt Ende Mai 1962 in die Propstei.  Erzbischofkoadjutor Dr. Franz Jachym weiht am 17. Juni 1962 das neue, noch nicht ganz fertiggestellte Pfarrhaus und übergibt es seiner Bestimmung. Im Zuge des Pfarrhof-Neubaues gestaltet der Bruder des Pfarrers, der bildende Künstler Jozsef Virágh, eine Antonius-Statue, die an der ostseitig gelegenen Außenmauer des Pfarrhauses angebracht wird.

Am 1. September 1962 wird der Kurat der Propsteipfarre, Alfons Binder, Pfarrer Virágh zur Unterstützung der Seelsorgearbeit beigestellt. Wegen der großen Kälte im Winter 1962/63 (-6ºC in der Kirche!) sucht Pfarrer Virágh um Erlaubnis an, die Messen im warmen Pfarrheim feiern zu dürfen. Als Altar dient ein einfacher Tisch, der Priester feiert die Messe „versus populum“, also mit dem Gesicht zu den Gläubigen – ein Vorgriff auf die Beschlüsse des II. Vatikanums? Mit Ende September 1963 verlässt Kurat Binder die Pfarre, er ist fortan in der Pfarre Hainburg tätig. Mit 1.September 1964 wird Pfarrer Virágh nach Wien versetzt, er führt die Pfarrgeschäfte aber noch bis Ende des Monats. Wiederum ist es Geistl.Rat Johann Sobotka, der helfend einspringt und die Pfarre interimistisch übernimmt. Die Seelsorgehelferin Traude Schuckert wird ab 1. September 1964 eingestellt. Sie bleibt bis März 1965 in der Pfarre.

Mit Jänner 1965 wird der bisherige Kurat der Dompfarre, Ilmar Tessmann, zum Pfarrprovisor ernannt, am 1. April 1965 kommt Frau Hannelore Wutte als Seelsorgehelferin in die Pfarre. Zu Ostern und Pfingsten des Jahres werden erstmals in der Flugfeldkirche rhythmische Messen, sogenannte „Jazzmessen“, gefeiert. Im Jahr 1965 wird auch das Kircheninnere „umgedreht“. Der bisher nach Osten gerichtete Altar wird an die Westwand versetzt und als „Volksaltar“ aufgestellt, der Kircheneingang vom Westen auf die Ost- und damit Straßenseite verlegt. Am 1. Februar 1966 wird Ilmar Tessmann durch den Wiener Weihbischof Jakob Weinbacher als Pfarrer in sein Amt eingeführt.

Im Sommer 1966 stiftet der in der Steinabrückler Gasse wohnhafte Herr Anton Nottek eine von ihm selbst angefertigte Statue der Schutzmantel – Madonna. Diese Skulptur steht heute vor dem Pfarrheim.

1967 wird der Bau der Sakristei zwischen Pfarrheim und Kirche fertiggestellt. 1968 erfolgt der Kauf einer „Elektronenorgel“. Sie ersetzt das schon in die Jahre gekommene Harmonium, die „Orgel der 1.Stunde“. Pfarrer Tessmann verlässt im Sommer 1969 die Pfarre aus persönlichen Gründen. Herr Hermann Wohlfart, der stv. Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, verwaltet die Pfarre bis zur Bestellung eines neuen Pfarrers interimistisch.

Am 6. September 1970 wird Hans Rumpler, Kurat der Dompfarre, von Propst Arnold Doležal als Pfarrer von St. Anton installiert. Im September 1971 wird in Kirche und Pfarrheim die Beleuchtung erneuert, im November dieses Jahres auch das Dach der Kirche. Im Jahr 1972 bekommt die Flugfeldkirche ein neues Eingangstor, rechtzeitig vor dem Winter wird auch die Warmluftheizung fertig. Unser „Helfer in der Not“, Geistlicher Rat Johann Sobotka, feiert sein goldenes Priesterjubiläum. Am 15. April 1976 wird Pater Anton Schürz, von 1946-1960 Seelsorger der Pfarre, in die ewige Heimat berufen. Eine Abordnung der Pfarre begleitet ihn am 23. April auf seinem letzten irdischen Weg.

1976/77 muss der Glockenturm der Kirche saniert werden. Die Pfarre hat dafür S 80 000.- (das entspricht 2013 einem Wert von annähernd 15 000.- €) aufzubringen. Zwei neue Glocken, „Hl. Franz Xaver“ (Patin Amalia Bednarik) und „Hl. Maria Mutter Gottes“ (Patin Frau Maria Prohaska), werden am 11. November 1979 von Konsistorialrat Prof. Dr. Johann Kandlbinder geweiht und anschließend in den Glockenturm gehoben. In diesem Jahr wird auch die Kirche innen und außen neu gestrichen und das Kircheninnere zum Teil neu gestaltet. Im Herbst 1981 konstituiert sich in der Pfarre der „Kirchenchor St. Anton“. Unser mehrmaliger „Aushilfs-Pfarrer“, Konsistorialrat Johann Sobotka, wird am 13. Mai 1983 kurz nach Vollendung seines 84. Lebensjahres vom Herrn in die Ewigkeit geholt.

Im Frühjahr 1984 wird das Vordach beim Kircheneingang mit einem Glasfenster nach dem Entwurf der Künstlerin Grete Frank errichtet und im Herbst unter Mithilfe der Stadtgemeinde der Kirchenvorplatz erneuert. Schüler der HTBLA Wiener Neustadt fertigen ein großes Metallkreuz, das vor der Kirche aufgestellt wird. 1987 bekommt die Kirche neue Fenster mit Isolierverglasung  – sie werden in den folgenden Jahren nach Entwürfen des an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt tätigen Offiziers Mag. Hubert Zeinar neu gestaltet. Im Juni 1989 werden „50 Jahre Flugfeldpfarre“ und das silberne Priesterjubiläum von Pfarrer Hans Rumpler gefeiert. Während seiner Zeit als Flugfeld- Pfarrer begeistert er viele junge Menschen für den Sport, auf seine Initiative wird der Tischtennisclub UKJ St. Anton gegründet.

Militärbischof Christian Werner weiht im Rahmen eines Festgottesdienstes am 8. November 1998 eine neu angekaufte dreimanualige Orgel. Bei diesem Gottesdienst kommt die vom Wiener Walter Lochmann komponierte „Missa Theresiana“ zur Aufführung.

Am 6. Juni 2004 feiert Pfarrer Geistlicher Rat Hans Rumpler sein 40jähriges Priesterjubiläum. Er erliegt am 13. Jänner 2008 seiner schweren Krankheit und wird am 26. Jänner unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Wiener Neustadt zu Grabe getragen. Schon während der Erkrankung Pfarrer Rumplers helfen die Geistlichen des Neuklosters immer wieder aus. Am 29. Oktober 2008 wird der in der Neuklosterpfarre in Wiener Neustadt tätige Zisterzienserpater Dr. Kosmas Thielmann zum Pfarrmoderator bestellt. Ihm folgt Ende August 2009 sein Ordensbruder Pater Petrus Hübner. Ab 1. Oktober 2010 übernimmt Viktor Kurmanowytsch – obwohl eigentlich schon im Ruhestand.

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